Geschichtsverein Nierstein präsentierte Rückblick auf 80 Jahre Winzerfest

Nierstein. Sich selbst entdecken auf einem der alten Fotos, sich an schöne Momente erinnern, die schon so lange her sind… viele Niersteiner zog es aus diesem Grund in die Ausstellung "80 Jahre Winzerfest".
In der Schalterhalle der Volksbank Alzey-Worms hatte der Geschichtsverein Nierstein eine attraktive Schau mit Fotos, Plakaten, Festplakettchen und -gläsern präsentiert.
Zu deren Abschluss veranstaltete der Verein nun einen Vortragsabend im Weingut Andrea Mann. Und dort hieß es zusammenrücken, denn die Weinstube war mit gut 70 Zuhörern bis auf den letzten Platz gefüllt.
Aus der Vielzahl der Bilder, die Niersteinerinnen und Niersteiner aus ihren privaten Alben zur Verfügung gestellt hatten, fertigte Axel Schwarz, Schatzmeister des Vereins, eine aufwändige Bilderschau passend zu sechs Kurzvorträgen.
    Geschichtsverein Nierstein e.V.
 Bis auf den letzten Platz gefüllt: die Weinstube im Wgt. Andrea Mann.
 

Zum Auftakt ging Vorsitzender Hans-Peter Hexemer der Frage nach "80 Jahre Winzerfest - ein Grund stolz zu sein?!" und hielt fest: "Es gibt aus meiner Sicht eine Reihe von Gründen - auf jeden Fall mit Freude und Zufriedenheit und vielleicht auch mit ein bisschen Stolz Rückschau zu halten auf ein Fest, das inzwischen zur Geschichte von Nierstein gehört, weil es selbst Geschichte und vor allem auch Geschichten geschrieben hat."

"Die Konstante seit 1935", stellte Axel Schwarz fest, seien "Weinproben zum Wein proben" gewesen. Bei den ersten Proben 1935 im Weinhaus-Saal "Zur Krone" und im Saal des "Rhein-Hotels" war besondere Trinkfestigkeit gefragt, galt es doch zwei Halbpartien mit je 79 und 80 Weinen zu verkosten! Schwarz erinnerte an namhafte Weingüter, die heute nicht mehr existieren, und an verschwundene Weinlagen, wie Rote Schmitt, Schelmskaut oder Kehr. Berichtete von Weinproben mit über 1200 Teilnehmern auf dem Marktplatz, die man 1986 nicht unbescheiden "die größte Open-Air-Weinprobe in Deutschland" nannte bis hin zu den aktuellen Proben im Park.

"Vom Winzerfest im Weindorf hat sich das Winzerfest in der Weinstadt entwickelt", so Rüdiger Leineweber. Noch immer bedauerten etliche den Verlust des Weindorfs, auf das einst die Macher um Jakob Wölflein und Bürgermeister Fritz Strub mächtig stolz waren: "Überdachte 1000 Sitzplätze, kulissenartig gemalte Fassaden alter Häuser, eine große Festbühne, terrassenartig ein Zelt im Saalpförtchen, das machte den besonderen Flair und die Anziehungskraft aus", resümierte Leineweber. Anfang der 1970er Jahre kamen immer neue Festbereiche hinzu bis hin zur heutigen Ausdehnung. Schließlich entschied der Verkehrsverein als Veranstalter, - nachdem auch der Aufbau der Zelte immer problematischer wurde - das Weindorf durch eine aufgelockerte Form von Ständen auf dem Marktplatz zu ersetzen.

Zuschauermagnet war stets "Der Winzerfestumzug", von dem Hans-Uwe Stapf berichtete, anfangs noch ein nicht wegzudenkendes jährliches Spektakel mit eigenem Motto. So wurden 1935 die 13 Festwagen nach Entwürfen des Niersteiner Gartenbauarchitekten August Waltenberg zum Thema "Die Niersteiner Weinbergslagen" gestaltet. 1938 hieß da "Des Winzers Jahreslauf", ein Umzug von dem eine vollständige Fotodokumentation erhalten blieb. 1957 zeigte "Niersteiner in aller Welt" wie rund um den Globus, in Zügen, auf Ozeanriesen, in Flugzeugen und auf anderen Kontinenten Niersteiner Wein getrunken wird.

Ab den 1970er Jahren gab es Umzüge nur noch zu besonderen Anlässen, wie 2008 zur 100sten Wiederkehr der Zeppelin-Landung oder 2013, als Nierstein zur Stadt erklärt wurde.
Zwei weitere wichtige Programmpunkte des Winzerfestes stellte Dr. Susanne Bräckelmann vor "Die Symbolfigur Ritter Hundt und das Festspiel um Heimat, Liebe und Wein".

  GNV Winzerfest
Präsentierten einen Rückblick auf 80 Jahre Winzerfest: Hans-Uwe Stapf, Axel Schwarz, Hans-Peter Hexemer, Dr. Susanne Bräckelmann und Rüdiger Leineweber.

Den trinkfesten Dorfschultheiß und Gerichtsherrn Ritter Hundt von Saulheim, prägten schon einige Darsteller, bis heute unvergessen Wolfgang Engel Senior - für viele der Ritter schlechthin. Nachdem man in der Eröffnungsrede noch heute, trotz Überarbeitung in 1953, den Zeitgeist von 1935 durchschimmern sehe, täte dem Ritter allerdings ein zeitgemäßer Text gut. In dem von Hans Ludwig Linkenbach vor 1933 geschriebenen Stück "Ein Herbstfest in Nierstein" spielten Generationen von Niersteinern mit und feierten damit große Erfolge. Doch nachdem das Publikumsinteresse ab den späten 1970ern nachließ, die Proben vielen Akteuren zu zeitaufwändig waren, kam schließlich das Aus für das Festspiel.

Zum Abschluss berichtete Hans-Peter Hexemer von der Geschichte der Weinschöffen-Ehrung, die im Jahre 1976 von seinem Vater, dem damaligen Bürgermeister Paul Hexemer begründet wurde. Die Auszeichnung knüpfte bewusst an die 400 Jahre bestehende Institution des Schöffengerichts an, das Recht zu sprechen und die kommunalen Angelegenheiten zu regeln hatte. Bisher wurden 51 Personen zum Weinschöffen geschlagen, darunter ein Premierminister, ein Kardinal, ein Bischof, Politiker aus Bund und Land sowie viele engagierte Niersteiner. Nachholbedarf gebe es allerdings noch in Sachen Gleichberechtigung, sind doch bislang nur vier Frauen dabei. Den besonderen Titel des Weinschultheiß tragen erst zwei Personen, Heinz Seip und Landrat Claus Schick. Seit 1997 findet die Auswahl und Ehrung nach festgelegten Kriterien im Rahmen des Niersteiner Winzerfestes statt.

Info:
Der Geschichtsverein Nierstein plant im kommenden Jahr eine Sonderveröffentlichung zum Thema "80 Jahre Niersteiner Winzerfest" und freut sich weiterhin über Fotos und andere Erinnerungsstücke an diese Feste. Kontakt: 1. Vorsitzender Hans-Peter Hexemer, Telefon 06133/58828 und Email: hans-peter@hexemer.net

     
Fotos: Geschichtsverein Nierstein    
     

Nierstein, September 2015