Absturz einer Beechcraft C-45 am 15. Dezember 1947 in Nierstein
Geschichtsverein erinnerte und gedachte tödlich verunglückter US-Piloten

Georg Zimmermann erinnert sich genau an das Ereignis. Es ist Dezember 1947, die Familie zuhause beim Abendbrot in Schwabsburg. Es ist kalt, es hat geschneit. Plötzlich hört man das Geräusch eines Flugzeuges, danach einen lauten Knall und kurz darauf eine laute Explosion. Die Familienmitglieder: die Eltern, Georgs älterer Bruder und der achtjährige sind aufgeschreckt. Der Vater sagt: "Ebe isser abgestürzt." Georg Zimmermann ist am Tag darauf im Gelände unterwegs, das mit Schnee bedeckt ist.

Das Flugzeug ist am 15. Dezember 1947 in der Niersteiner Gemarkung abgestürzt, oben auf dem Plateau, in der Nähe des Wartturms. Dorthin macht er sich auf den Weg, sieht wie die Teile geborgen werden, die weit verstreut auf einem Kartoffelacker liegen. Der Schüler nimmt sich ein Erinnerungsstück mit. Es ist ein Instrumentenanzeiger, offenbar aus dem Cockpit. Später baut er es auseinander, heute ärgert er sich darüber.

    Geschichtsverein Nierstein e.V.
 

Aber es zieht ihn immer wieder an die Absturzstelle, er findet weitere Teile. Eines aus der Tragfläche, auf dem zu lesen ist „Do not step on“, besitzt er noch heute.

Der Absturz des US-Militärflugzeuges und der Tod der beiden Soldaten ist über die Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Für den Vorsitzenden des Geschichtsverein Nierstein ist es wichtig, 70 Jahre danach an das Unglück zu erinnern und der beiden dabei ums Leben gekommenen US-Soldaten zu gedenken.
„Es gibt sicher noch weitere Niersteiner, die uns ihre Erinnerungen weitergeben und das Bild runden können. An der Absturzstelle jedenfalls sind später beim Zackern auch immer wieder mal kleine Teile der Maschine an die Oberfläche gekommen.“

 

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Aus der US-Zeitung "Stars and Stripes", 17. Dezember 1947.

     
Eines der Opfer ist namentlich bekannt: der Pilot W. E. Hankins. Diesen Namen ermittelte Horst Schmidt, ein Hobbyhistoriker aus Eschollbrücken. Der Name des zweiten Opfers ist nicht bekannt.
Der Absturz selbst ist in allen Einzelheiten nachzulesen, denn zwei Tage nach dem Unglück berichtete die US Militärzeitung „Stars and Stripes“ ausführlich über das Geschehen und veröffentlichte auch ein Bild vom Absturzort, auf dem die verschneite Landschaft und viele Trümmerteile der Maschine zu erkennen sind. Die Zeitung schreibt, zwei Piloten seien getötet worden, nachdem die Maschine während eines heftigen Schneesturms eine Baumspitze gestreift habe.
Das Flugzeug – eine Beechcraft EATS C45 - war um 17:57 Uhr auf der Air-Base in Wiesbaden-Erbenheim gestartet. Der letzte Kontakt zur Bodenkontrolle ist um 18:47 Uhr notiert. Kurz danach wurde eine Sucheinheit in Marsch gesetzt.

Weiter schreibt die Zeitung, dass Einwohner von Nierstein über einen Blitz und Explosionsgeräusche aus Richtung Wartturm berichtet hätten, der sich nordwestlich von Nierstein befinde. Einer dieser Zeugen „August Waltenburch“ – richtig: Waltenberg – habe den Polizisten Georg Krämer angerufen, der seinerseits die französische Militärpolizei gegen 18:30 Uhr, spätestens 19 Uhr angerufen habe.

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Wie die Zeitung schreibt, habe die zweiköpfige Crew die Air-Base in Erbenheim zu einem lokalen Wetterflug südwestliche Richtung verlassen, dann in eine südöstliche Richtung eingeschwenkt. Das Flugzeug sei in ein Gelände, das aus Weinbergen und Kartoffeläckern bestehe, abgestürzt. Die Wrackteile waren auf einer Fläche von mehr als 180 Quadratmetern verteilt. Die beiden Toten wurden am 16. Dezember vormittags geborgen und nach Wiesbaden gebracht.

Auf den Tag genau 70 Jahre nach dem Absturz erinnerte der Geschichtsverein Nierstein an das Ereignis und gedachte der beiden getöteten Soldaten. Bei der Gedenkveranstaltung sprachen Hans-Peter Hexemer als Vorsitzender des Geschichtsvereins, Georg Zimmermann als Zeitzeuge und der 2. Beigeordnete Jochen Schmitt für die Stadt. Hexemer betonte die Umstände des Unfalls. Die beiden Soldaten hätten die Kriegshandlungen überlebt, um nun im Frieden unter diesen tragischen Umständen ums Leben zu kommen. Zur Zeit des Absturzes 1947, so Hexemer, habe sich das Verhältnis der Besatzungssoldaten zu den Deutschen schon gewandelt gehabt. Der Kalte Krieg habe dazu beigetragen, später die Abriegelung Berlins und die Versorgung der West-Berliner durch die Luftbrücke der Alliierten auch von Frankfurt aus. Die Amerikaner und die Franzosen, zu deren Besatzungszone Nierstein gehörte, hätten zudem den Aufbau der Demokratie vorgetrieben. Vor diesem Hintergrund seien freundschaftliche Beziehungen zu den Westmächten entstanden, die Deutschland von den Nazis befreit hätten, sagte Hexemer. Die Zivilgesellschaft bleibe heute aufgefordert, diese gewachsenen Beziehungen trotz aller politischen Turbulenzen zu bewahren und vital zu halten.

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Georg Zimmermann schilderte, wie er als damals achtjähriger Bub mit anderen zur Unglücksstelle kam, auch später weitere Wrackteile fand und präsentierte ein Teil aus der Tragfläche. Beigeordneter Schmitt dankte dem Geschichtsverein, dass er die Erinnerung wachhalte und stellte die Tragik des Krieges, in dem es nur Verlierer gebe, in den Mittelpunkt. Dekan Michael Graebsch sprach ein geistliches Wort und als Gebet die seit 1959 jeden Freitag in der von Deutschen zerstörten Kathedrale vorgetragenen Fürbitten der Versöhnungslitanei von Coventry.   GVN
Bilder: Axel Schwarz    
     

Nierstein, Dezember 2017