Sommerkulturreise
nach Wessling-Hochstadt, ins bayerische Oberland und nach München
von Hans-Peter Hexemer
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Natur,
Geschichte, Baukultur, Kunst, Begegnung - das Programm der Sommerkulturreise
des Geschichtsvereins vom 10. bis 12. August 2012 nach Wessling-Hochstadt,
ins bayerische Oberland und nach München war vielfältig
und abwechslungsreich und führte zum wiederholten Mal in die
neue Heimat des gebürtigen Niersteiners Professor Dr.-Ing.
Helmut Klausing, der mit seiner Familie den Besuch aus der alten
Heimat herzlich empfing. Den interessanten Programmablauf hatte
der Zweite Vorsitzende des Geschichtsvereins Hans-Peter Hexemer
mit Ingrid Klausing vorbereitet. Schon vor Jahren waren die Klausings
zu "Niersteiner Botschaftern in Bayern" ernannt worden.
An der "Botschaft", ihrem Wohnhaus in Hochstadt, wehte
deshalb während der Besuchstage auch die Niersteiner Flagge.
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Die erste Station der Reise führte zum "Heiligen Berg
der Bayern, zum Kloster Andechs, wo die Gruppe bei einer Führung
in der Wallfahrtskirche auch durch die Erläuterungen der Kunsthistorikerin
A. Fischer eine eindrucksvolle Begegnung mit dem bayerischen Rokoko
erlebte. Zum 300-jährigen Jubiläum von Kirche und Kloster
ließ Abt Bernhard Schütz 1755 der Abteikirche durch Johann
Baptist Zimmermann die heutige Rokoko-Ausstattung geben. Zum 550-jährigen
Jubiläum pilgerten im Jahre 2005 tausende Wallfahrer auf den
Heiligen Berg. In diesem Jubiläumsjahr wurde auch die jahrelange
Restaurierung der Wallfahrtskirche abgeschlossen und die neue Orgel
der Firma Jann geweiht.
Die
Wallfahrt zum "Heiligen Berg" Andechs geht auf das Hochmittelalter
zurück. Im Mittelpunkt der Verehrung standen die Hl. 3 Hostien,
die Graf Berthold III. von Andechs ( 1188) dem Reliquienschatz
seiner Familie hinzugefügt hatte. Berthold erhielt die Reliquien
um 1180 von seinem Bruder Otto II., dem damaligen Bischof von Bamberg.
In die Domstadt waren die Hostien durch Papst Leo IX. gelangt (um
1051).
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Die
hl. Hostien wurden in der Kapelle der gräflichen Burg aufbewahrt.
Nach der Ächtung des Grafen Heinrich IV. und seines Bruders
Bischof Eckbert von Bamberg im Zusammenhang mit dem Mord an König
Philipp (1208) kam es zur Zerstörung der Burg über dem
Ammersee. 1248 starb die Andechser Linie des Geschlechtes im Mannesstamm
aus. Die Burgkapelle war zwar erhalten geblieben, die Reliquien
waren jedoch verschwunden. Im Jahr 1388 gelang die teilweise Wiederauffindung
der Andechser Reliquien, die in die Münchner Hofkapelle gebracht
wurden. In Verbindung mit der erstmaligen Feier des römischen
Jubiläumsablasses auf deutschem Boden kamen 1392 angeblich
(Aventin) um die 60.000 Pilger zur Verehrung der Heiligtümer
in die Hauptstadt. In München mochte man sich nur schwer wieder
von den Reliquien trennen, doch begann ab 1420 der Neubau einer
großen spätgotischen Wallfahrtskirche auf dem ehemaligen
Burgberg. 1438 begründete Herzog Ernst ein zugehöriges
Chorherrenstift für Weltpriester. Sein Sohn Albrecht III. wandelte
das Stift in eine Benediktinerabtei um, das bis zu seiner Säkularisation
im Jahre 1803 bestand. Seit 1850 ist Andechs ein Priorat der Benediktinerabtei
St. Bonifaz in München. Die Bedeutung der Wallfahrt zu den
3 Hl. Hostien und zur Gottesmutter ist jedoch ungebrochen; seit
1943 kam die Verehrung der hl. Hedwig hinzu.
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Die
Wallfahrtskirche ist im Kern eine gotische Halle und wird im Norden
und Süden von niedrigen Kapellenanbauten begleitet. Das Hauptportal
führt von Süden durch die Vorhalle in die Kirche. Westlich
daneben steht der im Unterbau quadratische Turm von
etwa 60 m Höhe. Der oktogonale (achteckige) Turmaufsatz mit
seiner Zwiebelkuppel und der Laterne stammt von 1675. Der eigentliche
Kirchenbau trägt ein hohes Satteldach. Die mittlere der Kapellen
der Südseite (ehemals Vöhlin-, heute Hedwigskapelle) wurde
doppelgeschossig angelegt und wird von einem Schweifgiebel mit einem
kleinen Dachreiter abgeschlossen. Ein solcher Dachreiter sitzt auch
auf dem Westgiebel der Kirche. Im Norden und Osten umschließen
die Klostergebäude die Kirche.
Von
den ehemals vier gotischen Pfeilerpaaren wurden drei in den Umbau
der Rokokozeit übernommen. An Stelle der Rippengewölbe
überspannen Flachkuppeln den Raum, dessen mittelalterlicher
Ursprung dennoch deutlich wird. Der Abbruch der beiden Ostpfeiler
schuf Raum für das große Chorfresko über dem Hochaltar
"der Andechser Heiligenhimmel". Um den Innenraum läuft
in bewegter Linienführung eine Galerie mit Bildern und Texten
der Geschichte von Andechs, die bereits auf die spätgotische
Kirche zurückgeht. Im Westen setzt sich dieser Umgang als Orgelempore
fort.
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Die
vier Deckenfresken Johann Baptist Zimmermanns im Hauptschiff zeigen
den "Andechser Heiligenhimmel" (Chorfresko), die Himmelfahrt
Christi, den Teich Bethsaida und das "Himmlische Konzert der
neun Chöre der Engel" über der Orgelempore.
Im
rechten Seitenschiff erkennt man den hl. Rasso als Streiter gegen
die Ungarn, den hl. Michael und König David. Im Nordschiff
wurden der hl. Benedikt, Maria mit Johannes und die Heilige Cäcilia
dargestellt. Zwischen den Seitenfresken sind die Leidenswerkzeuge
Christi zu sehen. Unter der Orgelempore sind die drei göttlichen
Tugenden "Glaube, Hoffnung und Liebe" sowie die vier Kardinaltugenden
"Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit und Maßhalten"
dargestellt.
Die
Stuckaturen Zimmermanns und Üblhörs werden zu den besten
Leistungen des süddeutschen Rokoko gezählt. Als Hauptdekoration
wurden blühende Zweige ausgearbeitet. Der Formenschatz lässt
viele Ähnlichkeiten zur Wieskirche erkennen, die Zimmermann
kurz vorher zusammen mit seinem Bruder Dominikus stuckiert hatte.
Andechs
ist und bleibt nicht nur für Bayern ein Erlebnis für Seele
und Leib, denn ebenso gerühmt wird bis heute in Andechs das
Klosterbier, das bei einer Vesper nicht fehlen durfte, bevor man
nach Herrsching weiterfuhr, um dort das Schiff für eine kleine
Rundfahrt auf dem drittgrößten bayerischen See, dem Ammersee,
zu besteigen.
Ein
bayerisch-rheinhessischer Heimatabend im Gasthof Schuster mit Speis
und Trank aus Nierstein und Wessling rundete den Tag ab. Dort dankte
Hans-Peter Hexemer der Familie Klausing nicht nur für die wunderbare
Verbindung über viele Jahre, vielmehr stattete er den Dank
auch mit Albert-Schweitzer-Wein, dem Albert-Schweitzer-Buch und
dem neuen Handbuch zur rheinland-pfälzischen Geschichte "Kreuz-Rad-Löwe"
ab. Auch Wesslings Bürgermeister Michael Muther begrüßte
die Rheinhessen in seiner Gemeinde. Gekommen waren auch zahlreiche
Hochstädter Freunde, unter ihnen Pfarrer Anton Brandstetter.
Herzliche Grüße der Gemeinde Nierstein überbrachte
Beigeordneter Egid Rüger. Hexemer und Rüger sprachen eine
Einladung zum Gegenbesuch in Nierstein aus.
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Das
Franz Marc Museum Kochel stand für die 40 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer am zweiten Tag auf dem Programm. Im Jubiläumsjahr
"100 Jahre Künstlervereinigung Blauer Reiter" sahen
sich die Niersteiner das diesem Mitglied der Gruppe von Expressionisten
gewidmete Museum an. Bereits vor ein paar Jahren wurde das den Blauen-Reiter-Künstlern
gewidmete Museum in Murnau und das Gabriele Münter-Haus von
einer Gruppe des Geschichtsvereins besichtigt. Neben dem bisherigen
Museumsgebäude entstand 2008 oberhalb des Kochelsees ein markanter
Neubau, der nicht nur die Kunstbestände des damals bereits
bestehenden alten Franz Marc Museums zeigt, sondern darüber
hinaus die bedeutende Sammlung moderner Kunst des 20. Jahrhunderts
von Etta und Otto Stangl beherbergt. Neben der Kunst des "Blauen
Reiter" mit besonderem Schwerpunkt auf Franz Marc, ist der
"Brücke" - Expressionismus mit wichtigen Werken vertreten.
Hinzu kommen herausragende Arbeiten Paul Klees, von Nolde, Feininger,
Kirchner und anderen Vertretern des Expressionismus.
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An Benediktbeuren vorbei führte der Weg nach Glentleiten, zum
Bauernhausmuseum. Das Freilichtmuseum Glentleiten ist das größte
Freilichtmuseum Südbayerns. Es ermöglicht einen umfassenden
Einblick in den ländlichen Alltag der Menschen Oberbayerns,
in ihre Baukultur und Arbeitswelt. Mehr als 60 original erhaltene,
translozierte Gebäude sind samt ihrer Einrichtung inmitten
einer nach historischen Vorbildern gepflegten Kulturlandschaft wieder
aufgebaut.
Zum
gemütlichen Abschluss des Tages ging es dann über die
Passstraße hoch hinauf, zum höchstgelegenen See Bayerns,
dem Spitzingssee, wo der Tag in der traditionsreichen Wurzhütte
einen gemütlichen Abend ausklang.
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Am
dritten Tag stand ein Rundgang in München Auf den Spuren
der NS-Zeit auf dem Programm. Diese Führung wurde begleitet
von der Tochter Susanne Klausing, die als Schülerin ein Referat
dazu ausgearbeitet hat und Stationen der NS-Herrschaft und der Verfolgung
in dieser Zeit erläuterte. Vom Königsplatz aus, wo die
Nazis einst pompös ihrer sogenannten "Blutopfer"
vom 9. November 1923 gedachten, ging es zum Odeonsplatz, wo der
Putsch seinerzeit von der Polizei niedergeschlagen worden war. Auf
dem Gelände des sogenannten "Braunen Haus", der NSDAP-Parteizentrale
wird aktuell das NS-Dokumentationszentrum errichtet. Dort, wo einst
die Nazis in der Gestapozentrale ihre Opfer quälten, steht
heute ein moderner Bankenkomplex.
Zum
Mittagessen ging es in den Biergarten des Augustinerkellers, der
seit 1842 als Gaststätte besteht und an dessen Stelle früher
ein Bierlager vom Augustinerbräu, der ältesten Brauerei
Münchens, stand. Mit vielen neuen Eindrücken trat die
Gruppe danach die Rückreise nach Nierstein an.
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Geschichtsverein
Nierstein, September 2012 |
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