„Einigkeit und Recht und Freiheit“ – Theaterstück löste Emotionen aus.

GVN

Langanhaltender Beifall der über 120 Gäste im Stadtpark Nierstein belohnte den Künstler und Histotainer Tino Leo nach seinem Auftritt am 23. Mai. Aus Anlass von 175 Jahren Revolution und 75 Jahren Grundgesetz hatte der Geschichtsverein Nierstein Tino Leo und sein Ein-Personen-Theaterstück „Einigkeit und Recht und Freiheit“ nach Nierstein geholt. Den Anwesenden wurde eine faszinierende Inszenierung geboten, wobei Leo mit seiner enormen Bühnenpräsenz, seinem Sprachwitz sowie mit Mimik und Gestik begeisterte.

Leo spielte zehn Rollen: Als Adam von Itzstein, Freiheitskämpfer der ersten Stunde nahm er die Gäste mit auf seine Reise durch die Revolution von 1848/49, die geprägt ist von Hoffnung, Aufbruch und Enttäuschung. Dabei trifft er auf Persönlichkeiten wie Fürst von Metternich, den Preußenkönig, den Demokraten Friedrich Hecker und Menschen aus dem Volk. Die Paulskirche postulierte erstmals die Grundrechte. Durch die verschiedenen Interessen kommt die Freiheitsbewegung ins Wanken und die alten Mächte gewinnen wieder die Oberhand. Und dennoch: Was in dieser Zeit begann, war auf Dauer nicht mehr aufzuhalten.

Das betonte auch Hans-Peter Hexemer, Vorsitzender des Geschichtsvereins, mit Bezug zur heutigen Situation: „Damals wie heute versammeln wir uns unter den Farben Schwarz-Rot-Gold als Symbol der Demokratie in Deutschland. Damals wie heute bekennen wir uns zu Einigkeit und Recht und Freiheit als der Basis unserer geglückten Demokratie. Freilich einer heute durchaus bedrohten Demokratie. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, dafür zu sorgen, dass wir kein neues 1933 erleben müssen. Wir müssen wachsam, aktiv und engagiert bleiben, um unsere demokratischen Grundsätze zu verteidigen.“

     

GVNAnsprache von Hans-Peter Hexemer zum 23. Mai 2024 - Veranstaltung des Geschichtsvereins Nierstein - EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT - im Stadtpark Nierstein:

"Heute ist der 23. Mai 2024.

Vor 175 Jahren hat sich Ende Mai die erste Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt aufgelöst. Sie war dennoch ein Meilenstein der demokratischen Entwicklung in Deutschland.

Heute vor 75 Jahren hat der Parlamentarische Rat in Bonn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet. Die Geburtsstunde unserer Republik. Gewiss ein guter Grund zu feiern.

Dazu sind wir heute zusammen: Um uns an die Anfänge der Demokratie in Deutschland zu erinnern und um unseren Festtag der Demokratie zu begehen.

Damals wie heute versammeln wir uns unter den Farben Schwarz-Rot-Gold. Sie waren, sind und bleiben das Symbol der Demokraten in Deutschland. Damals wie heute bekennen wir uns zu Einigkeit und Recht und Freiheit als der Basis unserer geglückten Demokratie. Freilich einer heute durchaus bedrohten Demokratie.

Ich begrüße Sie sehr herzlich, besonders Bürgermeister Jochen Schmitt, der im Anschluss ein Grußwort sprechen wird, sowie die Vertreter der Parteien und Gruppierungen, die unsere Veranstaltung unterstützen.

Wenn wir an die Anfänge der Demokratie denken, so gehört unsere Region zu den Keimzellen der Entwicklung. Angefangen bei der Mainzer Republik 1793, weiter über die zweite Franzosenzeit als die Gegend als Departement Mont Tonnerre (Donnersberg) zu Frankreich gehörte und der Code Civil Einzug hielt. Genauso wichtig das Hambacher Fest in Neustadt als großes Fest und Demonstration für Freiheit und Einheit 1832.

     
Und 1848 schließlich kam es zur ersten demokratischen, auf der Volkssouveränität basierenden, Bewegung in ganz Deutschland, kam es zur ersten Nationalversammlung. Zu den historisch herausragendsten Leistungen der Frankfurter Nationalversammlung gehört das am 21. Dezember 1848 verabschiedete „Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“.

Hieran wirkte auch ein Niersteiner mit, der Gutsbesitzer und liberale Politiker Philipp Wilhelm Wernher. Sein Andenken pflegen wir u.a. an seinem Wohnhaus, dem Haxthäuser Hof.

Zum ersten Mal erlangten damals mit diesem auch von ihm beschlossenen Grundrechtskatalog Menschen- und Bürgerrechte Gesetzeskraft in Deutschland. Kernelemente waren die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Aufhebung aller Standesvorrechte, die Gewährleistung persönlicher und politischer Freiheitsrechte (wie Presse-, Meinungs-, Versammlungs-, Gewerbefreiheit, Freizügigkeit) sowie mit Ausnahme des Kriegsrechts und Meuterei auf See die Abschaffung der Todesstrafe.

Die am 27. März 1849 verabschiedete Reichsverfassung sollte einen föderalen deutschen Einheitsstaat konstituieren, dem mit Ausnahme des Kaisertums Österreich alle Staaten des Deutschen Bundes angehörten (kleindeutsche Lösung).

     

GVNSie sah einen erblichen Kaiser als Staatsoberhaupt vor, der auch das Recht zur Einsetzung der Regierung hatte. Dem Reichstag, der sich aus einem Staatenhaus und einem demokratisch zu wählenden Volkshaus zusammensetzte, oblag vor allem die Gesetzgebung, das Budgetrecht und die Kontrolle der Exekutive.

Als im April 1849 der von der Nationalversammlung zum „Kaiser der Deutschen“ gewählte preußische König Friedrich Wilhelm IV. das ihm angetragene Amt ablehnte, waren die Bemühungen der Paulskirche um eine Verfassung und die Errichtung eines deutschen Nationalstaats praktisch gescheitert.

Angesichts des Wiedererstarkens der monarchisch-restaurativen Kräfte in den deutschen Einzelstaaten resignierte das auch in der Bevölkerung schnell an Rückhalt verlierende Parlament und löste sich Ende Mai selbst auf.

Auch das nach Stuttgart verlegte, vorwiegend aus linken Paulskirchenabgeordneten bestehende Rumpfparlament und die auch mit gewaltsamen Mitteln betriebene Kampagne zur Verteidigung der Reichsverfassung im südwestdeutschen Raum konnten die konterrevolutionäre Entwicklung nicht wirksam aufhalten. An diesem Freiheitskampf beteiligte sich auch eine Niersteiner Bürgerwehr, an ihrer Spitze Jacob Bittong, der in der Karolingerstraße wohnte und dort ein Weingut betrieb, heute besucht man an dieser Stelle das Winzerhaus. Bittong wurde verhaftet, kam vor Gericht, wurde aber am Ende freigesprochen.

     
GVN Mit der Auflösung des Stuttgarter Rumpfparlaments und der Eroberung der badischen Festung Rastatt im Sommer 1849 war auch der letzte revolutionäre Widerstand gebrochen und die mit großen Hoffnungen angetretene liberale und demokratische Einheits- und Freiheitsbewegung von 1848/49 gescheitert.

Kurzfristig also hatte die Revolution von 1848 keinen Erfolg. Zunächst triumphierten die rückwärtsgewandten Mächte. Dennoch war eine neue Zeit angebrochen.

Die Menschen emanzipierten sich, neue Bewegungen entstanden wie die Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften, die Frauen begannen sich zu Wort zu melden.

Langsam und immer erfolgreicher entwickelten sie sich selbst im von Preußen dominierten Deutschen Reich nach 1871. Nicht ungebrochen, immer wieder durch Rückschläge aufgehalten, sei es durch Bismarcks Sozialistengesetze oder seinen gegen die Katholiken gerichteten Kulturkampf.

     

GVNDas, was in der Frankfurter Paulskirche 1848/49 begann, blieb auf Dauer eben nicht ohne Wirkung, weshalb die Geschichtsschreibung nicht zu Unrecht von einen „erfolgreichen Scheitern“ spricht.

Die Paulskirchenverfassung von 1848 prägt bis heute unsere Verfassungen in Deutschland. Wesentliche Bestimmungen wurden in die Weimarer Verfassung von 1919 und ebenso in das Grundgesetz von 1949 übernommen.

Es lag nicht an der Verfassung, dass die erste Deutsche Republik 1933 scheiterte. Es lag an vielen Ursachen. Hitler war nicht die einzige. Der Mangel an Demokraten und mangelnde Einigkeit der Demokraten im Kampf gegen Extreme waren andere. Das Scheitern der Weimarer Republik war also eine düstere Lektion, dass Demokratie nicht als selbstverständlich angesehen werden kann. Sie erfordert nicht nur die richtigen politischen Strukturen, sondern auch ein gemeinsames Bekenntnis zu demokratischen Werten, eine aktive Beteiligung der Bürger und wirtschaftliche Stabilität. Und denken wir daran, wie damals gegen die Republik gehetzt wurde, wie ihre Politiker verächtlich gemacht wurden, wie schließlich die SA und die SS die Gewalt auf Deutschlands Straßen trugen.

     

GVN Willy Brandt sagte im Rückblick auf diese Zeit: „Weimar wurde kaputt geschimpft, bevor es kaputt getrampelt wurde.“ Wie weit ist die politische Kultur heute davon entfernt? Dämmert uns da was? Die Lehren von Weimar bleiben die stete Warnung und der Aufruf zur Wachsamkeit, insbesondere in Zeiten wie diesen.

Wenn wir an diese Zeit der ersten Republik zurückdenken, müssen wir uns daran erinnern, wie wichtig starke demokratische Institutionen, wirtschaftliche Stabilität und politische Bildung sind. Es ist eine eindringliche Erinnerung daran, dass die Demokratie zerbrechlich und anfällig für Zerstörung ist, wenn sie nicht bewahrt wird.

Deutschland hat nach all dem bitteren, das die Nazis über die Welt gebracht haben, nach der Befreiung von dieser Tyrannei durch die Alliierten die Chance bekommen neu zu beginnen. Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung von Diktatur und Gewalt. Und ein Neuanfang bei uns in Nierstein und im Land. So unterschiedlich die beiden ersten Niersteiner Nachkriegsbürgermeister, der Sozialdemokrat Andreas Licht und sein Nachfolger Gustav Strub, zuerst Christdemokrat und später Freie Wähler, auch waren, verband sie das Bekenntnis des auch heute notwendigen Zweiklangs: Nie wieder Faschismus und Immer wieder Demokratie. Der Neuaufbau vollzog sich von den Kommunen über die Länder bis zum Bund.

     

GVNDas neue Land Rheinland-Pfalz spielte dabei eine besondere Rolle:

Angefangen bei der Rittersturz-Konferenz der Ministerpräsidenten der Westzonen im Juli 1948 in Koblenz, deren Beschlüssen der Parlamentarische Rat folgte. Darin setzten die vier rheinland-pfälzischen Mitglieder entscheidende Impulse für die Inhalte des Grundgesetzes, etwa Friedrich Wilhelm Wagner, der sich erfolgreich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzte. Heute vor 75 Jahren war die Arbeit am Grundgesetz beendet.

Die Demokratie dieses Grundgesetzes ist seitdem stabil und erfolgreich gewesen, Deutschland ein Hoffnungsland für viele und deshalb können wir heute mit gutem Grund unsere Verfassung feiern.

Die Vorkämpfer von 1848 haben unser Grundgesetz mitbestimmt und deshalb möchte ich Sie gerne einmal einbeziehen, in dem wir einmal gemeinsam herausfinden, welche Artikel stammen von 1848 und welche von 1949. Manchmal kann man es kaum unterscheiden, manchmal sind sie sogar textgleich. Schauen wir doch mal wie gut wir unsere Verfassung kennen:

     
GVN Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (1949)

Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. (1848)

Die Freiheit der Person ist unverletzlich. (1848 und 1949)

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. (1949)

Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. (1848)

Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (1949)

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. (1949)

Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; eine besondere Erlaubnis dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. (1848)

     

GVNDie Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. (1848)

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (1949)

Die Todesstrafe ist abgeschafft. (1949)

Die Wohnung ist unverletzlich. (1848 und 1949)

Die Wehrpflicht ist für Alle gleich. (1848)

Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden. (1949/1956)

Wenn wir all dies sehen, wird uns klar, wie sehr die 1848er Demokraten bis heute unsere Verfassungsinhalte und unser Verfassungsverständnis bestimmen. Es wird zugleich klar, dass es in der Demokratie im Wesentlichen um die Menschen geht und die Regeln ihres respektvollen Zusammenlebens.

Es wird klar, welchen Preis die Vorkämpfer der Demokratie bezahlt haben. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen von uns, dafür zu sorgen, dass sich die Schrecken der Vergangenheit nicht wiederholen. Dass wir kein neues 1933 erleben müssen. Wir müssen wachsam, aktiv und engagiert bleiben, um unsere demokratischen Grundsätze und Institutionen zu verteidigen und zu stärken, die Feinde der Demokratie erkennen und ihnen ein ums andere Mal eine Absage erteilen.

     
GVN Demokratie beruht auf Regeln und Gesetzen. Sie beruht zugleich auf Moral und Werten. Wenn der Anstand, die Haltung, der Respekt und die Moral verkommen, verkommt auch die Demokratie.

Wir dürfen also nicht die Herausforderungen aus den Augen verlieren, denen sich die Demokratie in der heutigen Zeit stellen muss. Polarisierung, bewusste Fehlinformation, Lüge und Manipulation, Extremismus und die Erosion des Vertrauens in demokratische Institutionen bedrohen das Wesen unserer Demokratie.

Auf der anderen Seite leben wir in einer Zeit enormer Möglichkeiten. Die Digitalisierung gibt uns die Mittel an die Hand, unsere demokratischen Prozesse transparenter, zugänglicher und partizipativer zu gestalten.

Wir sind in der Lage, unsere Systeme zu erneuern und zu reformieren. Jede Zeit erfordert eben ihre eigenen Antworten.

Die Beschäftigung mit Demokratiegeschichte als Teil der historisch-politischen Bildung kann einen Beitrag dazu leisten, Handlungsspielräume zu erkennen und Gefühle der Ohnmacht zu überwinden.

Sie kann dabei helfen, dass Bürgerinnen und Bürger sich für eine Stärkung der Demokratie in Deutschland einbringen – im Bewusstsein, dass demokratische Werte in der Vergangenheit erkämpft werden mussten und auch heute keine Selbstverständlichkeit sind. Aber erinnern wir uns genug an diese gemeinschaftsstiftenden Wurzeln unserer Demokratie?

     

GVNDiese Erinnerung will die Arbeitsgemeinschaft "Orte der Demokratiegeschichte“ durch die Vernetzung von Orten und Ereignissen verstärken.

Der Geschichtsverein Nierstein unterstützt seit zwei Jahren als Mitglied diese Bemühungen.

Das Ziel aller Beteiligten ist die "Demokratie zu stärken durch die Auseinandersetzung mit der Demokratie- und Freiheitsgeschichte.

Dies soll lokal, regional, auf Ebene der Länder, wie auch bundesweit, europäisch und international geschehen. Die Erinnerungsarbeit zu den vielfältigen demokratischen Traditionen ermöglicht jeder und jedem, unabhängig von der Herkunft, eine bessere Orientierung in unserer Gesellschaft.“

Vor zwei Tagen habe ich einen Rundgang auf den Spuren der Freiheit und Demokratie durch Nierstein unternommen. Heute kann ich erfreut mitteilen, dass dieser Rundweg künftig auch mit Beschilderung und einer Homepage mit Audio- und Videobeträgen und QR-Codes - ähnlich wie unsere Kultouren durch Nierstein - weiterentwickelt werden soll.

     
GVN Um dieses finanziell aufwändige Projekt stemmen zu können, haben wir die finanzielle Förderung durch die Bundesstiftung Demokratiegeschichte grundsätzlich zugesagt bekommen. Darüber freue ich mich sehr.

Zur Erinnerung können aus meiner Sicht auch ganz augenfällige Dinge wie Straßennamen von Bedeutung sein.

Doch welche Straßen erinnern uns an die demokratischen Vorkämpfer des Hambacher Festes 1832 und der Revolution 1848, an die Schöpfer der Republik von 1919? Es gibt die Siebenpfeiffer-Straße, die Heinrich-von-Gagern oder auch die Friedrich-Ebert-Straße. Doch ihre Zahl ist in Deutschland viel geringer als die nach Kaisern, Königen und Fürsten benannten.

In Nierstein gibt es dazu sicher Positives zu vermerken. Gehen Sie einmal aufmerksam durch das Neubaugebiet auf dem Roßberg. Dort finden sie konzentriert einige Straßen, die an verdiente Demokraten, aufgeklärte Reformer, an Menschen erinnern, die in Kultur und Literatur für Freiheit und gegen Diktatur standen.

Unter diesen Straßen befindet sich die Hoffmann-von-Fallersleben-Straße. Ihm, dem Dichter und Freiheitsfreund aus dem Vormärz, haben wir das „Lied der Deutschen“ zu verdanken mit seiner Strophe „Einigkeit und Recht und Freiheit“, die zu unserer Nationalhymne wurde und unserer Veranstaltung heute den Titel leiht.

     

GVNIn seinem Theaterstück nimmt uns der Mainzer Schauspieler und Histotainer Tino Leo mit auf eine Reise durch die Zeit des Vormärz zur Revolution 1848/1849. In dieser Form Geschichte zu erleben, darauf dürfen wir uns heute sehr freuen.

Ich komme zum Schluss:
75 Jahre Grundgesetz - Zur geglückten Demokratie haben in diesen Jahrzehnten viele Menschen beigetragen. Zur bedrohten Demokratie haben sie Radikale, Hetzer und Hassprediger gemacht, jene, die die Demokratie verächtlich machen und beschimpfen, aber ebenso Desinteressierte und Personen, die sich von der Gemeinschaft abgemeldet haben.

Wir selbst sind die Demokratie. Denn Demokratie lebt von Kräften, die sie selbst nicht hat, von Kräften, die ihr nur Menschen geben können.

Deshalb ist nie die Frage: Was kann die Demokratie uns geben, sondern es ist die: Was können wir der Demokratie geben, damit sie bei Kräften bleibt.

Das Wichtigste ist: An den Wahlen teilnehmen, seine Stimme abgeben. Am 9. Juni und bei allen kommenden Wahlen. Demokratisch wählen. Dann können wir auch sicher sein, dass diejenigen, die schreien und plakatieren „Wir holen uns unser Land zurück“ nicht das tun können, was sie wirklich im Schilde führen, nämlich uns allen die Demokratie zu entreißen.

     
GVN Deshalb bin ich auch froh, dass die Landeszentrale für politische Bildung und die demokratischen Parteien und Gruppen, die in Nierstein im Stadtrat vertreten sind, dass SPD, CDU, FWG, NEU und FDP heute Abend als Kooperationspartner dabei sind. Sie haben unsere Unterstützung verdient.

Schätzen wir unser Wahlrecht. Nutzen wir es. Und denken wir daran, dass auch nach 1945 die Menschen in der DDR in einem Unrechtsstaat ohne freie Wahlen leben mussten - 45 Jahre lang.

Erst am 18. März 1990 konnten sie zum ersten Mal ihre Volkskammer frei wählen.

Der spätere Bundespräsident Joachim Gauck, damals schon 50 Jahre alt, erzählte, dass er diesen Tag nie vergessen werde: „Als ich die Kabine verließ, kullerten mir die Tränen über die Backen. Es ist ein Glück, wählen zu dürfen.“

Und eine schwer erkämpfte Errungenschaft. Vergessen wir das nie.

Lassen Sie mich als jemand, der sich jahrzehntelang auch ehrenamtlich in Volksvertretungen engagiert hat ganz deutlich sagen: Die Unterschiede, die innerhalb der demokratischen Parteien und zueinander bestehen, die sind immer jeweils kleiner als der Unterschied, den sie alle gemeinsam haben gegen die Deutschland-Hasser, gegen die Diktatoren-Fans und gegen diejenigen, die unser Land verraten und verkaufen.

     

GVNUnd als Vorsitzender des Geschichtsvereins füge ich hinzu: Wenn wir aus unserer Geschichte lernen wollen - sowohl aus ihren Erfolgen als auch aus ihren Misserfolgen - dann müssen wir diese Lehren nutzen, für eine robuste, widerstandsfähige und lebendige Demokratie für Deutschland.

Indem wir uns mit Demokratiegeschichte befassen, können wir auch zur Demokratieerziehung beitragen - heute Abend in ganz unterhaltsamer Form.

Demokratie hängt also von uns allen ab. Wenn wir uns nicht aktiv für sie entscheiden und einsetzen, dann wird sie kraftlos, leblos und am Ende verlässt sie uns. Sorgen wir alle dafür, dass es nie soweit kommt."

Ansprache von Hans-Peter Hexemer zum 23. Mai 2024 - Veranstaltung des Geschichtsvereins Nierstein - EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT - im Stadtpark Nierstein.

     

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Film (ca. 55 MB, © Hexemer)

     
© Texte und Fotos – soweit nicht anders angegeben: Geschichtsverein Nierstein e.V.    
     

Nierstein, 23. Mai 2024