Geschichtsvereine Nierstein und Oppenheim: „Schwarze Gesellen auf dem Rhein“

Vortrag zur Flottenpropaganda im Kaiserreich

GVN

Die Geschichtsvereine empfingen rund 70 historisch interessierte Gäste bei ihrer gemeinsamen Vortragsveranstaltung mit Bernd Ellerbrock am 16. September 2021 im Weingut Guntrum in Nierstein.

Herzlich begrüßt und vorgestellt wurde der Referent von Susanne Pohl, Vorsitzende des Oppenheimer Geschichtsvereins, die daran erinnerte, dass der Vortrag am authentischen Ort beim damals so genannten „Oppenheimer Fahrt“, also der Niersteiner Anlegestelle der Fähre stattfinde, wo 1900 der Torpedoverband Station machte.

Bernd Ellerbrock berichtete dann in seinem 90minütigen, äußerst kurzweiligen Vortrag über diesen spektakulären Propagandafeldzug, der am 29. April des Jahres 1900 in Wilhelmshaven begann: Kaiser Wilhelm II. und sein Leiter des Reichsmarineamtes, Vizeadmiral Alfred Tirpitz, hatten eine komplette Division Torpedoboote zum Rhein beordert. Tief im Binnenland, von Emmerich nach Karlsruhe und zurück. Wo die „Schwarzen Gesellen" auf ihrer 1.000 Kilometer langen Reise Station machten, wurden sie von einer marinebegeisterten Menge und den örtlichen Honoratioren voller Hurrapatriotismus empfangen. So auch in Nierstein und Oppenheim.

GVNBei diesem Propagandafeldzug bereitete man den Herolden für des Kaisers Flottenbaupläne überall einen enthusiastischen Empfang. Die Kriegsflotte war noch auf ihrer Rückreise, da beschloss der Reichstag das 2. Flottengesetz, mit dem die deutsche Aufrüstung zur See eine gefährliche Dimension bekam.

Nach sieben Wochen Fahrt wurde die Division in Wilhelmshaven am 18. Juni 1900 mit einem "Hurra!" auf den Kaiser wieder aufgelöst.

Der Vortrag von Autor und Fotograf Ellerbrock – er kommt aus Hannover – basiert auf seinem kürzlich erschienen Buch „Schwarze Gesellen auf dem Rhein – Flottenagitprop anno 1900“, in dem er diese ungewöhnliche Mission der Kaiserlichen Marine im Detail aufbereitet hat.

Es beleuchtet die politischen Hintergründe, informiert über regionale Vorkommnisse und zeichnet so zugleich ein „Sittengemälde“ des Kaiserreiches um die Jahrhundertwende.

Das Buch wurde im vergangenen Jahr bereits in den Oppenheimer Heften, der Publikation des Oppenheimer Geschichtsvereins vorgestellt.

     

Gespickt war Ellerbrocks brillanter Vortrag mit vielen Bildern, Illustrationen, Karten, Zitaten und Anekdoten, so dass er bei aller wissenschaftlichen Genauigkeit eine große Lebendigkeit aufwies.

Letztendlich machte er aber deutlich, dass die Flottenpropaganda, ein einmaliges Marketing-Spektakel, das unterhaltsam daherkam, später zur maßlosen Militarisierung im Deutschen Reich beitrug.

Hans-Peter Hexemer, Vorsitzender des Geschichtsverein Nierstein, bedankte sich nach dem Vortrag mit den Worten: „Ein ebenso unterhaltsamer wie packender Vortrag, der lebhaft einerseits deutsche Großmannssucht mit ihren Folgen und andererseits die Verführbarkeit der Menschen widerspiegelte.“

Das Thema bot den Gästen im Nachhinein bei einem Gläschen Guntrumschen Weins, Traubensaft und Brezel viel Gesprächsstoff, gerade auch in Bezug auf Parallelen in die heutige Zeit.

 

 

Ellerbrock
     
     
© Texte und Fotos – soweit nicht anders angegeben: Geschichtsverein Nierstein e.V.    
     

Nierstein, 16.09.2021