Fahrt ins Kloster Lorsch

Den Lorscher Codex, der die Rechte und Besitztümer des 764 gegründeten Klosters dokumentiert und für Hunderte von Orten - so auch für das benachbarte Oppenheim - die älteste geschriebene Geschichtsquelle darstellt, kennen die meisten. Welch große Bedeutung das Kloster dazu als Zentrum von Macht sowie von Geistes- und Kulturwissenschaft hatte, erfuhren die 25 Teilnehmer des Geschichtsvereins Nierstein bei einer Exkursion, die Vorstandsmitglied Dr. Susanne Bräckelmann organisiert hatte. Dr. Hermann Schefers, der Direktor des Klosters, der den Niersteinern durch die Glöck-Veranstaltung im letzten Jahr bekannt ist, hatte selbst die Führung durch das Klosterareal übernommen. Vom einst mächtigen Klosterkomplex sind nur noch die Torhalle, ein Kirchenfragment und Teile der Klostermauer erhalten. Schefers verstand es indes überaus anschaulich und lebendig darzulegen, warum das Kloster zu Recht den Titel "UNESCO-Welterbe" trägt.

Im Mittelpunkt seiner kenntnis- und faktenreichen Ausführungen im Museumszentrum stand die Zeit der Karolinger und deren bekanntester Vertreter Karl der Große. So erfuhren die Niersteiner, wie das Kloster seinerzeit ausgesehen hatte und welche vielfältigen Funktionen es erfüllte. Sie gewannen einen Einblick in das reiche Schrifttum des Klosters, das eines der Zentren war, in dem das Erbe der Antike durch Abschriften, Kommentare und Weiterbearbeitungen bewahrt wurde. Die noch erhaltenen über 300 mittelalterlichen Handschriften sind heute auf 73 Bibliotheken weltweit verstreut. Reisen zu den Schriften muss man indes nicht mehr machen: Die virtuelle Klosterbibliothek ermöglicht die Recherche vom häuslichen Schreibtisch aus.
Im Außengelände erklärte Dr. Schefers die architektonischen Details der imposanten Tor- oder Königshalle. Mit Spannung wird in Kürze das Ergebnis einer dendrochronologischen Analyse erwartet: Ein Holzstück soll genauen Aufschluss über das Alter des Bauwerkes geben und damit auch Rückschlüsse auf die ursprüngliche Nutzung erlauben. Nach einer umfassenden Neugestaltung des Klosterhügels werden Torhalle und Kirchenfragment nun von modellierten Rasenflächen ansprechend in Szene gesetzt. Auch die freigelegten Reste der Klostermauer vermögen, einen anschaulichen Eindruck der einst imposanten Umfassung zu vermitteln.
Im nahegelegenen Freilichtlabor Lauresham, das erst im September eröffnet wurde, gab Dr. Hermann Schefers den Teilnehmern einen lebendigen Einblick in das Alltagsleben der Menschen in einem Dorf der Karolingerzeit. Maßstabsgetreu wurden hier Wohn- und Wirtschaftsgebäude nachgebaut. Dazu mussten Handwerkstechniken wiederbelebt werden, die heute nur noch wenige beherrschen: Die benötigten Fachleute für die Konstruktion der Lehmwände fand man beispielsweise in Lettland. Eine besondere Attraktion sind auch die alten Haustierrassen, die auf dem Gelände zu finden sind, von stattlichen Zugochsen (Rätisches Grauvieh) bis zu frei herumlaufenden Hühnern (Blaue Andalusier). Das Museumsgelände und das Freilichtlabor, so lud Schefers die Teilnehmer zum Wiederkommen ein, werden auch im nächsten Jahr stetig ausgebaut und lohnen weitere Besuche.

   

Geschichtsverein Nierstein e.V.

Die Torhalle des Klosters Lorsch.

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Weitere Informationen zum Kloster unter: www.kloster-lorsch.de

 

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Dr. Hermann Schefers (links) führte die Teilnehmer durch das Klosterareal.

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Die Zehntscheuer wird ab Frühjahr 2015 als Ausstellungsraum genutzt.

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Die freigelegte Klostermauer.

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Das Freilichtlabor Lauresham.

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Einer der beiden stattlichen Zugochsen.

 

   
     
Fotos: Axel Schwarz, Heiner Bräckelmann    
     

Nierstein, November 2014