Niersteiner Geschichte

Nierstein und der Kornsand
 
 
Gedenkstätte an das Kornsandverbrechen
Der Rhein bildet heute hier die Staatsgrenze zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz. Der Kornsand ist ein Ortsteil der Gemeinde Trebur im Kreis Groß-Gerau, Nierstein ist integriert in die Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim im Kreis Mainz-Bingen. Die Gemeinde Nierstein bildete mit Dexheim, Schwabsburg und dem Kornsand seit 1586 eine administrative Einheit. Durch den Frieden von Lunéville im Jahre 1801 fiel der Kornsand an Hessen-Darmstadt. Alle Niersteiner Bemühungen um die rechtsrheinische Gemarkung waren in der Folgezeit vergebens. Die Niersteiner verloren das gute Knoblochsauer Faßholz und das Futter für die Viehzucht.
    

Dies muss sehr schmerzlich gewesen sein, denn Nierstein mit verhältnismäßig wenig Ackerland diesseits des Rheins war auf Gras und Heu vom Kornsand angewiesen, um durch seine Viehzucht den für den Weinbau unerlässlichen Dung zu erhalten. Überdies gehörte zum Kornsand auch noch der "Goldgrund", ein natürlicher Hafen, in den Niersteiner Schiffer bei Eisgang ihre Kähne in Sicherheit bringen konnten. Die Frage, ob man im "Goldgrund" je einmal nach Rheingold gesucht hat, lässt sich auch nach dem Studium des Aktenbündels "Die Rheingoldwasch" in dem Strich zwischen Sandhofen und unterhalb von Nierstein aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe nicht eindeutig beantworten.

     
   

Nierstein-Kornsand ist ein uralter Rheinübergang, der im Mittelalter gerne von Kaufleuten der linksrheinischen Reichsstädte benutzt wurde, um zur Messestadt Frankfurt zu gelangen. Eine Fähre wird zum ersten Male 1373 urkundlich erwähnt. Sie lag in der Nähe des Oppenheimer Zollturmes. Wegen der Versandung der Anlegestelle am Zollturm in Oppenheim wurde die "Fliegende Brücke" in Jahre 1609 nach Nierstein verlegt. Im März 1945 sprengte die zurückweichende deutsche Brückenkopfbesatzung die letzte "Fliegende Brücke". Seit 1947 verbindet eine Motorfähre die beiden Rheinufer. Zwei Gedenksteine befinden sich in unmittelbarer Nähe der Fähranlegestelle Kornsand. Der Zeppelinstein erinnert an jenen 4. August 1908, als nachmittags gegen 17 Uhr Graf Ferdinand von Zeppelin mit seinem Luftschiff auf der ersten Fernfahrt von Friedrichshafen bis Mainz auf dem Kornsand zwischen zwei Kribben landete und mehr als 100.000 Neugierige aus Stadt und Land dem "König der Lüfte" begeisterte Ehrenbezeugungen bereiteten.

     

Ein Tag später verunglückte der Zeppelin in einem Gewittersturm bei Echterdingen. Damit der Graf sein Werk fortsetzen könne, schickte ihm die Gemeinde Nierstein am 22. August 1908 2396 Mark, 200 Flaschen des feinsten Niersteiner Weins und ein Bild von Nierstein.

 

Und der Gedenkstein für die Kornsand-Opfer erinnert daran, dass im Anblick ihrer Heimat sechs Menschen, darunter eine Frau, hier erschossen wurden, während auf der anderen Rheinseite schon US-Panzer in Nierstein einrollten. Wenige Tage zuvor waren die Niersteiner durch Männer der Politischen Staffel verhaftet und über den Rhein gebracht worden. Am 21. März 1945 wurden sie in Darmstadt entlassen. Sie durften zu ihren Familien zurückkehren. An der Fähre wurden sie abgefangen und als Kriminelle und politisch Vorbelastete, zusammen mit einem Volkssturmmann aus Oppenheim, durch Genickschuss ermordet. Die 63-jährige Frau durfte auf ihre Bitte hin sich noch einmal umdrehen und einen letzten Blick auf ihre Heimat Nierstein über den Rhein werfen, ehe sie der 18-jährige Mörder niederstreckte. Es war 15 Uhr, Mittwoch, 21. März 1945.

   

Dr. Johannes Zimmermann