Pogromnacht 1938: Von Gedanken über Reden hin zur Tat

Peter Zank erzählt von seiner jüdischen Familie mit Niersteiner Wurzeln - Kranzniederlegung von Stadt und Geschichtsverein

GVN

Am 9. November 1938 brannten überall in Deutschland Synagogen, wurden jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet, Juden drangsaliert und misshandelt.

Auf Einladung des Geschichtsverein Nierstein sprach Peter Zank, Bildungsreferent im Netzwerk „Erinnern vor Ort“ des Anne-Frank-Zentrums Berlin, anlässlich des Gedenktages im Niersteiner Rathaus und zeigte auf, welche Verantwortung aus dem Wissen um diese Geschichte erwächst.

In einem sehr persönlich gehaltenen Vortrag erzählte Peter Zank von seinen eigenen Großeltern und Eltern, verknüpfte die bewegende Geschichte seiner Familie mit dem historischen Geschehen, zeichnete den Prozess der Entrechtung und Verfolgung nach, ordnete ein, verdeutlichte Zusammenhänge.

Der Niersteiner Großvater wurde nach der Pogromnacht in Dachau inhaftiert, danach mit Ehefrau und Sohn nach Polen deportiert und schließlich in Majdanek ermordet. Seine Mutter, zuvor in einem Kindertransport nach England in Sicherheit gebracht, erfuhr nach ihrer Rückkehr im Nachkriegsdeutschland erneut Anfeindungen.

GVN Er wolle darauf aufmerksam machen, wie schnell durch Ideologien Menschen ausgegrenzt werden und wie leicht Verschwörungsnarrative wirken. „Es fängt mit Gedanken an, geht übers Reden und endet mit der Tat“, so Peter Zank.

„Indem wir der Verfolgten gedenken, wollen wir sie vor dem Vergessen bewahren“, erklärt Jörg Adrian vom Geschichtsverein, „indem wir immer und immer wieder ihre Geschichte erzählen, treten wir denen entgegen, die erneut die Gesellschaft spalten und dem Ressentiment, dem Hass, der Gewalt den Weg bereiten wollen.“

Am Mahnmal in der Mühlgasse gedachten vor dem Vortrag Stadt und Geschichtsverein der Pogrome vom 9. November 1938. Zum Gedenken waren zahlreiche Bürger, Stadtratsmitglieder, Beigeordneter Michael Sander und Ortsvorsteher Allmann gekommen.

Bei der Kranzniederlegung nannte Stadtbürgermeister Jochen Schmitt die Pogrome am 9. November 1938 eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.

     
Tausende jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger seien Opfer eines unfassbaren, staatlich organisierten Terrors geworden, die Straßen am Morgen des 10. November 1938 übersät mit Scherben zerstörter Schaufenster.

Schmitt: „Es ist unsere Pflicht, die Erinnerung an dieses Unrecht wach zu halten. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verbrechen jener Nacht nicht nur von einigen wenigen Extremisten begangen wurden, sondern im Einklang mit den Zielen des nationalsozialistischen Regimes standen, das Millionen Deutsche in seine menschenverachtende Ideologie einbezogen hatte. Viele schauten weg, viele schwiegen – und dieses Schweigen ebnete den Weg für den Völkermord.

Wir müssen heute alles in unserer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass sich solches Unrecht jemals wiederholen kann.

     
GVN Denn die Lehren der Geschichte sind klar: Hass, Ausgrenzung und Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.“

Es sei die gemeinsame Verantwortung der Gesellschaft, die Werte der Menschlichkeit, der Toleranz und des gegenseitigen Respekts zu verteidigen. Die Toten mahnten uns, nicht zu vergessen, erklärte Schmitt. Diese Erinnerung führe immer wieder vor Augen, was geschehen könne, wenn Gleichgültigkeit und Hass das menschliche Herz beherrschen.

Hans-Peter Hexemer, Vorsitzender des Geschichtsvereins, sagte zu Beginn des anschließenden Vortrags, die Pogrome seien nur der vorläufige Höhepunkt der Judenverfolgung im Nazi-Reich gewesen. Danach seien Juden schutzlos gewesen. Die Pogrome hätten das Tor zur systematischen Vernichtung, zu Auschwitz und zum Holocaust erst geöffnet.

     
     
© Texte und Fotos – soweit nicht anders angegeben: Geschichtsverein Nierstein e.V.    
     

Nierstein, 9. November 2024