Schon 1933: Autoren wurden vertrieben, ihre Werke verbrannt
Ausstellung im Niersteiner Rathaus widmet sich verfolgten rheinhessischen Schriftstellern
Von Wolfgang Höpp

Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Im Andenken daran führte 1996 der frühere Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar als Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus ein. Wie der Erste Vorsitzende des Geschichtsvereins Nierstein, Hans-Peter Hexemer hervorhob, würdigt der Verein diesen bedeutsamen Tag mit der Ausstellung „Verfolgte rheinhessische Schriftsteller im Exil“. Die noch bis zum 24. Februar an Wochentagen während der Öffnungszeiten des Rathauses ausgestellten Originalausgaben und Fotografien stammen von der Landeszentrale für politische Bildung.

Als weitere Exponate sind zwei originelle, aus Ton gebrannte Porträtbüsten von Carl Zuckmayer und Anna Seghers zu bestaunen, die Prof. Eberhard Linke zum Rheinhessen-Jubiläum 2016 geschaffen hat. Glanzpunkt des kurzweiligen Abends war der Vortrag von Hans Berkessel, er sprach über „Emigration, Exil ohne Heimkehr und die Verbundenheit zur Heimat“. Darin beschreibt der Historiker die unterschiedlichen Schicksale der von den Nationalsozialisten verfolgten rheinhessischen Schriftsteller Carl Zuckmayer, Anna Seghers und Georg K. Glaser.

   

GVN

Hans Berkessel, Hans-Peter Hexemer, Uwe Stapf und Schona Mihalys (v.l.).
Foto: Geschichtsverein Nierstein

Der in Nackenheim geborene Carl Zuckmayer musste Deutschland bereits 1933 verlassen und flüchtete 1938 mit seiner Familie in die USA, wo er in Vermont als Farmer eine neue Heimat fand. Der in den Staaten weitestgehend erfolglose Literat kehrte 1946 nach Deutschland zurück, lehnte es aber ab, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung zu stellen, führte Berkessel aus. Seine späte Heimat fand Zuckmayer schließlich in Saas-Fee in der Schweiz.

Zuckmayer glaubte an ein anderes Deutschland
Der Begriff „Heimat“ zog sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Leben. Auch in den USA liebte Zuckmayer seine rheinhessische Heimat und war um das Wohl und Wehe Deutschlands besorgt. Er glaubte immer an das andere Deutschland jenseits der Nazidiktatur und lehnte deshalb eine Kollektivschuld der Deutschen ab.
Ähnlich dachte und fühlte auch die aus Mainz stammende Anna Seghers, die seit 1928 Mitglied der KPD war. 1933 wurde sie von der Gestapo verhaftet, ihre Bücher wurden verboten und verbrannt. Seghers floh mit ihrer Familie im März 1941 ins Exil nach Mexiko. 1947 kehrte sie nach Berlin zurück, übersiedelte 1950 in ihre neue Heimat Ost-Berlin und wurde Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR.

Ein verfolgter rheinhessischer Schriftsteller war auch der in Guntersblum geborene Georg K. Glaser. Der Sohn eines patriarchalischen, zu Gewalt neigenden Vaters verbrachte seine Jugend in mehreren Heimen. Der spätere, wegen Landfriedensbruch inhaftierte KPD-Anhänger floh 1933 vor den Nazis ins Saarland und emigrierte schließlich 1935 nach Frankreich, wo er die französische Staatsbürgerschaft erwarb. 1947 beendete Glaser sein Manuskript zu dem autobiografisch geprägten Roman „Geheimnis und Gewalt“.

Allen drei Schriftstellern war zeitlebens die innere Zerrissenheit im Spannungsfeld zwischen Heimat und Exil gemeinsam. Die erkennbare Doppelgesichtigkeit der Porträtbüsten macht diesen Zwiespalt im haptischen Sinne greif- und fühlbar.
Beigeordneter Tobias Bieker dankte für die Stadt dem Niersteiner Geschichtsverein für die Vortragsreihe und die Organisation der Gedenkstunde, die bereits seit mehreren Jahren im Rathaus der Stadt Nierstein stattfindet.

Musikalisch akzentuiert wurde die gut besuchte Veranstaltung durch das perfekte Harfenspiel von Schona Mihalys, die mit vier zum Thema „Exil und Heimat“ bestens passenden Gesangsbeiträgen den Abend bereicherte.

 

Nierstein, 27. Januar 2017