Niersteiner Geschichte |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
742 bis heute Im Folgenden stellen wir Ihnen Grundzüge der Geschichte Niersteins vor. Zu einzelnen Aspekten finden Sie weiterführende Beiträge (siehe die Auflistung links). Ausführliche Berichte zu verschiedensten historischen Themen bietet unsere Publikation „Niersteiner Geschichtsblätter“, über die Sie unser detailliertes Schlagwörter- und Autorenregister informiert. Dazu gibt unser Literaturverzeichnis einen Überblick über die Literatur zur Niersteiner Geschichte. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Blick auf Nierstein um 1850, Gemälde von August Lucas. Repro: Lothar Krug |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Anfänge Schon seit vorgeschichtlicher Zeit siedelten Menschen in dem geschützten Tal des Flügelsbachs, der hier in den Rhein mündet. Seine herausragende Bedeutung verdankt Nierstein seiner strategisch wichtigen Lage an der, von den Römern fest ausgebauten Rheintalstraße und seinem alten Rheinübergang. Nach römischen Straßenverzeichnissen (Tabula Peutingeriana) war Buconica (Bonconica) die einzige Etappenstation zwischen Mainz und Worms, die genaue Position zwischen Nierstein, Oppenheim und Dienheim konnte wissenschaftlich bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Recht umfangreiche Funde innerhalb der heutigen Gemeindegrenzen lassen indes eine starke Besiedlung der Niersteiner Talbucht in römischer Zeit erkennen. Ein ausgedehnter Vicus mit großem Friedhof reichte vom Merkurtempel "Auf der Glöck" bis zum Quellheiligtum der Sirona (Sironabad). Nach dem Zerfall des Römischen Reiches kam es erst Ende des 5. Jahrhunderts mit den Franken zu einer Konsolidierung der Verhältnisse, die wieder größere Gemeinwesen in Rheinhessen entstehen ließ. Die baulichen Überreste des römischen Vicus nutzten die Franken und nannten ihre Siedlung "Narinstaine". |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Urkundliche Ersterwähnung 742 Im Jahre 742 wurde Nierstein erstmals urkundlich erwähnt. Der fränkische Hausmeier Karlmann, ein Sohn von Karl Martell, schenkte dem 741 errichteten Bistum Würzburg einige Klöster und Kirchen. Darunter auch die "basilicam in villa Naristagne in honore sanctae Mariae – die Basilika im Dorf Nierstein, zur Ehre der heiligen Maria". Infolge dieser Schenkung wird diese "Bergkirche" St. Kilian geweiht. Die Urkunde von 742 ist nicht erhalten, wohl aber eine Urkunde aus dem Jahr 822, in der Kaiser Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen, diese Schenkung bestätigt. In der Schenkungsurkunde von 742 (822) wird der Name "Glöck" selbst nicht aufgeführt, nur die "Zugehörigkeiten" und das "Zubehör" der Kirche. Dazu zählt aber sicher auch das Areal zu Füßen der Kirche, das 1406 als „Bergwingert“ erwähnt wird. Aus diesem Grund bezeichnet man die „Glöck“ – eine der berühmten Lagen des Roten Hanges – gerne als älteste Weinbergslage Deutschlands. Wann genau der heutige Name „Glöck“ erstmals schriftlich erscheint, bleibt aber offen. Der karolingische Königshof (Salhof), den man in unmittelbarer Nachbarschaft zur Martinskirche auf dem Fronhof vermutet, entwickelte sich zum Zentrum königlicher Macht. Um das Jahr 1000 baute man in das Innere des Salhofes die Martinskirche, als Königshof diente von da an der heutige Kurfürstenhof. Viele Frankenkönige sowie weitere spätere Kaiser und Könige kamen nach Nierstein. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1196 - Civitas Nierstein Im Jahre 1196 wurde Nierstein zum ersten Mal als Stadt urkundlich erwähnt. Damals traf Kaiser Heinrich VI. eine Vereinbarung mit Kuno von Münzenberg über die Vogtei in der Civitas (= Stadt) Nierstein. Die Niersteiner Vogtei war ein Reichslehen, das am Ende des 12. Jahrhunderts Kuno von Münzenberg trug. Die "advocatia civitatis", die Stadtvogtei, ging später an den Schultheißen über. Schon im Jahr 1215 ist ein Reichsschultheiß zu Nierstein bezeugt. Das linksrheinische und das rechtsrheinische Gebiet gehörten zusammen. Nierstein bildete mit Schwabsburg, Dexheim und dem Kornsand eine administrative Einheit. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Verpfändet an Kurpfalz Daran änderte auch das Jahr 1375 nichts, als Kaiser Karl IV. Teile seines Reichsgutes – darunter Nierstein, Schwabsburg und Dexheim – an Kurpfalz verpfändete. In der Folge löste allerdings Oppenheim das freie Reichsdorf Nierstein als Zentralort des Reichsgutsbezirks ab. In einem Konflikt zwischen dem Pfalzgrafen und dem Rittergericht einigte man sich 1578 darauf, dass die Schöffen fortan "im Namen und von wegen" des Kurfürsten als Pfandherren ihr Regiment ausübten. Der Schultheiß, Vorsitzender des Niersteiner Rittergerichts, war der oberste Vertreter des Pfalzgrafen vor Ort. Bis zum Ende des Alten Reiches konnten die Niersteiner die "alten Freiheiten" bewahren. Noch im Jahre 1742 wurden Niersteins Privilegien bestätigt. Sie unterschieden sich deutlich von den entsprechenden kurpfälzischen "Generalverordnungen". Verheerende Kriege prägten den Alltag der Niersteiner Bevölkerung im 17. und 18. Jahrhundert, die verkehrsgünstige Lage am Rhein war mit verantwortlich dafür, dass die Region ständig durch militärische Konflikte in Mitleidenschaft gezogen wurde. Am verheerendsten waren der 30-jährige Krieg (1618 - 1648) und der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 - 1697): Krieg, Hunger und Seuchen kosteten viele Menschen das Leben, zahlreiche historische Gebäude wurden zerstört. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Kilianskirche mit der Glöck. Foto: Torsten Silz |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Unter französischer Herrschaft Nach der Französischen Revolution von 1789 und den folgenden Revolutionskriegen kontrollierte Frankreich den gesamten linksrheinischen Raum, damit stand auch Nierstein unter französischer Herrschaft. Durch die Abkommen im Frieden von Lunéville 1801 verlor Nierstein seine rechtsrheinischen Gebiete – den Kornsand mit seinen ausgedehnten Wiesen- und Ackerflächen sowie den natürlichen Hafen Goldgrund – an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, das spätere Großherzogtum Hessen. Der Wiener Kongress ordnete 1816 das Land im Dreieck der Städte Mainz, Worms und Bingen, nun offiziell als Rheinhessen bezeichnet, dem Großherzogtum Hessen zu. 1848 wurde der Niersteiner Weingutsbesitzer Philipp Wilhelm Wernher zum Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung gewählt, welche die erste Verfassung für Deutschland ausarbeitete. Von 1916 bis 1945 gehörte Rheinhessen und damit auch Nierstein zum Volksstaat Hessen. Die Demokratie von Weimar hatte auch in Nierstein am Ende keine Chance, schon vor 1933 hatte die NSDAP hier Wahlergebnisse von über 50 Prozent. Der 21. März 1945, als auf dem rechtsrheinischen Kornsand kurz vor dem Eintreffen der Amerikaner in Nierstein fünf politische Gegner aus Nierstein und ein Oppenheimer durch Nazi-Schergen erschossen wurden, markierte den Tiefpunkt und den Neubeginn zugleich. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ein Teil von Rheinland-Pfalz Mit dem Wiederaufbau der Demokratie gehört Nierstein als Teil Rheinhessens seit 1947 zum Land Rheinland-Pfalz. An der rheinland-pfälzisch/burgundischen Partnerschaft wirkt Nierstein seit 1963 durch seine Verbindung zu Gevrey-Chambertin mit. 1990 schließlich konnte Nierstein auch seine schon in den Zeiten der deutschen Teilung angestrebte Partnerschaft mit Freyburg an der Unstrut vollenden. Das Jahr 1968 brachte in Rheinland-Pfalz die Verwaltungsreform. Die bis dahin selbstständige Gemeinde Schwabsburg wurde 1970 nach Nierstein eingemeindet. 1972 entstand die Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim, aus der am 1. Juli 2014 durch die Zusammenlegung mit der Verbandsgemeinde Guntersblum die neue Verbandsgemeinde Rhein-Selz hervorging, zu der auch Nierstein gehört. Seit dem 7. Juni 2013 trägt Nierstein offiziell die Bezeichnung „Stadt“ – 817 Jahre nach der erstmaligen urkundlichen Erwähnung Niersteins als „civitas“. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zeittafel |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
© Texte und Fotos – soweit nicht anders angegeben: Geschichtsverein Nierstein e.V. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nierstein, Oktober 2018
|